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Dante Alighieri: Die Göttliche Komödie
Übersetzung von Anis Hamadeh (2021)

Su questa pagina, che esiste dal 25 maggio 2020, pubblicavo la mia nuova traduzione della Commedia, vedi sotto. In questa prefazione presento l'idea e le principali fonti secondarie del mio lavoro.

Update 24.05.2021: Auf dieser Web-Seite, die seit dem 25.05.2020 besteht, habe ich eine neue Übersetzung der Komödie veröffentlicht, siehe unten. Hier im Vorwort stelle ich die Idee und die wichtigsten Sekundärquellen meiner Arbeit vor.

• „Dantes Deutsch (04.05.2021, 2 Seiten): In diesem Artikel stelle ich alle circa 200 deutschen Wörter aus der Komödie zusammen, gesammelt aus dem „Vocabolario Dantesco“ von Ludwig Gottfried Blanc. Über Blancs Lexikon steht weiter unten auf dieser Seite mehr.

Meine wörtliche Übersetzung von Dantes Komödie:

 Inferno:      1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 - 13 - 14 - 15 - 16 - 17 - 18 - 19 - 20 - 21 - 22 - 23 - 24 - 25 - 26 - 27 - 28 - 29 - 30 - 31 - 32 - 33 - 34

 Purgatorio: 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 - 13 - 14 - 15 - 16 - 17 - 18 - 19 - 20 - 21 - 22 - 23 - 24 - 25 - 26 - 27 - 28 - 29 - 30 - 31 - 32 - 33

 Paradiso:    1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 - 13 - 14 - 15 - 16 - 17 - 18 - 19 - 20 - 21 - 22 - 23 - 24 - 25 - 26 - 27 - 28 - 29 - 30 - 31 - 32 - 33

Erklärung der Effekte in der Online-Übersetzung: Hinterlegung in rosa: wörtliche Rede der Figur Dante, ocker: Virgil und Beatrice, hellblau: andere Person, hellgrün: noch andere Person, grau: Gleichnisse und Vergleiche und lila: Leseranreden, Schwüre etc.. Eigennamen von Personen wie Beatrice sind rot, Orte wie Fiorenza sind grün, auch Adjektive und Sprachen, Berge und Flüsse etc. Rosa sind Tiere wie die colombe. Blau sind Eigennamen von Dingen wie dem Käfigturm Muda und von Gruppen wie centauri. Die am rechten Rand erklärten Vokabeln sind links im Originaltext markiert, damit man sie gleich findet.

Am besten erschließt man sich einen Text wie diesen, indem man ihn übersetzt. Da bereits mehrere deutsche Prosa-Übersetzungen vorliegen (siehe unten), konzentriere ich mich hier auf den Aspekt der wörtlichen Übersetzung als Hilfe zum Lesen des Originals. Auch mit den Arbeiten von Köhler und Flasch bleiben den Dante verstehen Wollenden nämlich viele Fragen offen. Die sollen im vorliegenden Beitrag beantwortet werden.
Für mich ist der Weg das Ziel, warum also nicht die Ergebnisse anderen zur Verfügung stellen? Es ist mir ein Anliegen, für die Komödie Werbung zu machen, und ich helfe gern denen, die das Werk verstehen wollen, was nur anhand des Originals möglich ist, das man z.B. auf www.liberliber.it frei herunterladen kann – sowohl die Petrocchi-Ausgabe als auch die von Scartazzini & Vandelli, auch Audios und andere Dante-Werke.

Zur Übersetzung: Es ist eine Übertragung in schlichte heutige Prosa, ohne Schnörkel, so wörtlich wie möglich, allerdings nicht hyper-wörtlich, sondern praktikabel. Dabei scheue ich mich nicht davor, die deutsche Syntax hier und da ein wenig zu strapazieren oder Stil brechende Ausdrücke zu verwenden, wenn sie denn besonders präzise sind.
In der Übersetzung stehen die Wörter in Klammern, die der Kontext erfordert, die aber nicht ausdrücklich im italienischen Text stehen; das reicht vom engen Hinzufügen (eines) Artikels bis zum weiten Erklären (eines mitschwingenden Kontexts). Hochgestellt sind Erläuterungen (= Übersetzungen) einzelner Wörter, auch Verweise (→ z.B. auf Personen). Das „w:“ in der hochgestellten Klammer bedeutet „wörtlich“. Ist ein „+“ hinter dem w, handelt es sich um ein zusätzliches Wort und nicht um eine Alternative. Manchmal ist das Wörtlichere im Fließtext, manchmal in der hochgestellten Klammer, je nach Verständlichkeit. Steht in der hochgestellten Klammer „auch:“, bedeutet das, dass ein wichtiger Übersetzer auch dieses Wort gewählt hat. Es heißt nicht unbedingt, dass beides richtig ist. Denkt man sich die hochgestellten Klammern und deren Inhalte weg und liest den Rest ohne Klammern – also ohne „(“ und ohne „)“ –, erhält man die Basisübersetzung.
Wo immer es geht, werden die Bedeutungen der ursprünglichen Vokabeln abgebildet, zum Beispiel: „schwer angestachelt von Fliegen und Wespen“ (stimolati molto da mosconi e da vespe, If 3:66), „von Gier befrachtet“ (di brame carca, If 1:49) oder „missgeborene Seele“ (anima mal nata, If 5:7, 18:76, 30:48).
Bei häufigen Verben (z.B. fare, avere, essere, uscire, discendere, correre) und Adjektiven (z.B. buon, dolce) habe ich oft die Grundbedeutung beibehalten, was in einer nicht-wörtlichen Übersetzung zu dünn wäre, aber hier der Verwirrung vorbeugt. In vielen Fällen biete ich allerdings in hochgestellten Klammern präzisierende Wortübertragungen an.
Die Tempusformen wurden weitgehend beibehalten, auch wenn z.B. die Vergangenheitsform im Deutschen manchmal unnatürlich klingt. Subjunktive sind allerdings der Übersichtlichkeit wegen nur sporadisch, also exemplarisch (als Konjunktiv) mitübersetzt. An vielen Stellen ist in Klammern das Tempus kommentiert. Auf unterschiedliche Verwendung von Singular und Plural von Substantiven wird nur selten hingewiesen, da dies den Lesefluss zu sehr stören würde. Bei Verben ist es anders: Dante hat üblicherweise Singularformen für Verben mit zwei Subjekten verwendet. Das ist in der Übersetzung abgebildet, zum Beispiel: „Quivi è la sapïenza e la possanza → Dort sind (w: ist) die Weisheit und die Macht“ (Pr 23:37).
Typische Wendungen wurden sichtbar gemacht, dazu gehören zum Beispiel
a) Redundanzen und Wörter, die normalerweise nicht mitübersetzt werden: „or fu sì fatta la sembianza vostra? → war also euer Anblick so (w: + gemacht)?“ (Pr 31:108); „di far lo mele → um (w: + den) Honig zu machen“ (Pg 18:59); „Di più direi → Ich würde (w: + von) mehr sagen“ (If 15:115); „più (...) ch'i' non soglio → mehr, als ich es (w: + nicht) gewohnt bin“ (If 26:21); „quando ti vidi non esser tra ' rei → als ich dich nicht unter den Üblen (w: + sein) sah“ (Pg 8:54).
b) Verbindungen mit „geben“ und „haben“: „li angeli dier volta → die Engel gaben Drehung (= kehrten um)“ (Pg 8:107); „Lo duca mio allor mi diè di piglio → Mein Führer nahm mich dann an sich (w: gab mir Ergreifung)“ (Pg 1:49); „se Dio li ha in ira → wenn Gott zornig auf sie ist (w: sie in Zorn hat)“ (If 11:74).
c) Der häufig zu findende sogenannte „reflexive Pleonasmus“ (wobei ich mir nicht immer sicher war, ich muss den Singleton daraufhin noch einmal auswerten): „beata si gode → sie genießt (w: + sich) selig“ (If 7:96); „I' mi son quel ch'i' soglio → Ich bin (w: + mir) der, der ich immer war“ (Pr 12:123); „Io non so s'i' mi fui qui troppo folle → Ich weiß nicht, ob ich (w: + mir) hier zu verwegen war“ (If 19:88).
Auf einen Apparat wurde ansonsten bis auf ein paar sprachliche Anmerkungen am Rand (darunter die Identifizierung von Dantes Wortschöpfungen) verzichtet, denn davon gibt es bereits genug. Die Göttliche Komödie ist so klar in hundert Teile mit jeweils durchschnittlich 142 Versen, also Zeilen, geteilt, dass man Kommentare und Erläuterungen zu einzelnen Stellen leicht selbst im Dante-Online-Universum finden kann. Die obige Übersetzung wurde zwischen Dezember 2020 und Mai 2021 ins Netz gestellt. Bestimmt korrigiere ich noch Fehler und ergänze Dinge. Das wird stillschweigend passieren, also ohne Datumsangaben.

Die „voll krasse“ Slang-Übersetzung: Im Sommer 2020 begann ich spontan damit, meine Inferno-Übersetzung in eine „voll krasse“ Slang-Version umzuformen. Dante hat einen so frischen und unmittelbaren Stil mit einer derart „abgefahrenen“ Ich-Erzählung, dass die Slang-Version gut funktioniert und sie bestimmte Aspekte sogar besser hervortreten lässt als konventionelle Übersetzungen, etwa die grotesken, die übertriebenen, die monströsen, die verblüffenden und die ironischen Elemente. Auch liegt die Slang-Version manchmal näher am Original, z.B. das „si scocca“ aus If 25:96 über ein Geschehen, das wie ein Pfeil „abgeht“. Oder der Limbus, in dem die Leute ganz wörtlich „abhängen“. Ferner benutzt Dante im Inferno derbe Wörter wie „merda“ (Scheiße, If 18:116, 28:27) sowie umgangssprachliche Ausdrücke wie „fa che gliel' accocchi“ (Gib's ihm, If 21:102). Auch die Slang-Version bleibt also nah am Text, dem man präzise folgen kann, und lässt nichts Wichtiges weg, wobei kontextuelle Hintergründe vorsichtig miteingearbeitet sind. Unten auf dieser Seite sind die ersten drei Cantos als Probe veröffentlicht. In Slang übersetzt habe ich bislang das gesamte Inferno.
Neben den beiden Übersetzungen habe ich im Sommer eine „Dante-Wörterkiste“ gezimmert, Untertitel: Alle Wörter der Göttlichen Komödie, geordnet nach Bedeutungsfeldern. Darin ist auf 46 Seiten das Inferno erfasst. Nachdem ich Blanc entdeckt hatte (s.u.), habe ich dieses Projekt auf Eis gelegt. Es soll aber irgendwann in der einen oder anderen Form öffentlich zugänglich werden.


Dante blickt auf den Läuterungsberg, ca. 1530 (Agnolo Bronzino)




Deutsche Prosa-Übersetzung
von Hartmut Köhler

Köhler und Flasch: Zu den Hauptquellen der vorliegenden Übersetzung gehören die Prosa-Übersetzungen der erfahrenen Romanistik-Professoren Hartmut Köhler (2012) und Kurt Flasch (2013) – der übrigens nur vier Kilometer von mir entfernt lebt. Beide Bücher haben Anmerkungen, die von Köhler sind dabei wesentlich ausführlicher und gehen zum Teil auf die Wort- und Satzbedeutungen ein. Sie liegen mir seit dem 12.11.2020 vor, wie ich gerade auf dem Kassenbon sehe. Zuvor hatte ich das Inferno bereits durchgearbeitet.
Bevor der November zu Ende war, hatte ich auch das Purgatorium sprachlich analysiert und die beiden Übersetzungen dabei verglichen. Beide Bücher sind sehr hilfreich und in den Details neigte ich manchmal zu der einen, manchmal zu der anderen Lösung, oder zu einer noch anderen. Ich hatte mir angewöhnt, zunächst eine eigene Vor-Übersetzung anzufertigen, bevor ich sie dann mit Köhler und Flasch abgeglichen habe. Das hatte den Sinn, festzustellen, was ich bereits verstehe und was nicht.
Die englischen Übersetzungen von Robert und Jean Hollander (2007) sowie von Clive James (2015) liegen mir auch vor, aber erst seit ich mit meiner eigenen Übersetzung fertig bin. Wie ich mich kenne, werde ich die Versionen irgendwann abgleichen.


Deutsche Prosa-Übersetzung
von Kurt Flasch

Alle Vokabeln
von L.G. Blanc (1852)

Blancs Vocabolario: Im Nachwort „Zur Übersetzung“ des Köhler-Buchs steht ein Hinweis auf Ludwig Gottfried Blanc und sein 562-seitiges "Vocabolario Dantesco" von 1852, eine Offenbarung für Dante-Sprachwissenschaftler. Es ist heute via des Münchener Digitalisierungszentrums frei online zugänglich. Blancs Vocabolario ist sofort mein Lieblingsbuch innerhalb der Sekundärliteratur der Komödie geworden. Es erklärt jedes Wort in alphabetischer Reihenfolge auf Französisch und gibt auch die deutsche Entsprechung an – mit dem Sachverstand eines Menschen, der „plus de 30 années de lecture et d'étude“ darauf verwendet hat. Besonders angenehm ist, dass Blanc die Wortherkunft berücksichtigt und somit Informationen hat, die anderswo selten sind. Die circa 200 deutschen Wörter habe ich in einem Artikel zusammengestellt. Natürlich ist seit 1852 einiges passiert, aber wer mal ein paar Seiten des Buchs durchgeblättert hat, wird verstehen, warum ich so angetan davon bin.
Vor diesen drei Entdeckungen (Blanc, Köhler, Flasch) hatte ich bis zum Ende des Infernos die englische Prosaübersetzung von A. S. Kline (2014) als Hauptsekundärquelle verwendet, die auf der Website poetryintranslation.com steht. Kline ist ein engagierter Dichter und Polyglott, der auch Ovids Metamorphosen und vieles mehr übersetzt und frei zugänglich gemacht hat. An einigen Stellen übersetze ich anders als Kline und ich arbeite den Kontext nicht in die Übersetzung ein, wie er es tut.


Englische Prosa-Übersetzung
von A. S. Kline

Weitere Übersetzungen: Weitere im Netz zugängliche Übersetzungen habe ich nur sporadisch hinzugezogen, vor allem die hervorragende moderne italienische Übersetzung auf der Website divinacommedia.weebly.com (anonym). Sie hat ein Pendant auf Youtube: La Divina Commedia in Prosa (im Entstehen begriffen). Online stehen wegen des Urheberrechts vor allem alte Übersetzungen, das ist eher etwas für spezielle Fans, mich spricht es nicht an. Vor allem von nachgereimten Übersetzungen ist abzuraten. Wer so gut ist, dass er oder sie die Komödie in Reimen übersetzen kann, kann und sollte etwas Eigenes schreiben, anstatt seine Zeit zu verschwenden. Auch ein Leser hat nichts davon. – Durlings englische kommentierte Übersetzung des Purgatorio (2003, 704 S.) liegt mir vor, aber ich weiß noch nicht, ob ich sie lesen werde. Interessieren würde mich die Version von Hans Georg Hees (1995), da sie wörtlich sein soll. Vielleicht läuft sie mir einmal über den Weg.

Kommentare und Lexika: Systematisch verwendet habe ich den enormen Dantelab Reader, wo ich die nach Versen geordneten umfangreichen Text-Anmerkungen von Hollander (2007) und Singleton (1975) gelesen habe, was sowohl linguistisch als auch inhaltlich weitergeholfen hat. Manchmal habe ich Fosca (2015), Bosco/Reggio (1979), Pasquini/Quaglio (1982), Chiavacci Leonardi (1997), Grandgent (1913) und Tozer (1901) dazugenommen. Insgesamt 77 Gesamtkommentare kann man im Dantelab aufrufen; die meisten sind auf Italienisch, manche Lateinisch, einige Englisch, beginnend mit einem historischen Kommentar von 1322 und endend 2015 mit Nicola Fosca, der u.a. schwierige Textpassagen anhand von modernen italienischen Gegenstücken erklärt.
Für einzelne Wörter konsultierte ich häufig das eine Million Einträge fassende, auf alte Begriffe spezialisierte Lexikon des Treccani-Instituts, in das das berühmte Dante-Wörterbuch „Enciclopedia Dantesca“ von Umberto Bosco (1975) integriert ist, das mir – notfalls mit Hilfe von Leo und DeepL – wichtige Dienste geleistet hat. Auf www.vocabolariodantesco.it stehen einige Vokabeln mit Erklärungen sowie eine umfangreiche Projektbeschreibung.
Praktisch ist zudem der „Konjugator“ unter konjugator.reverso.net: Gibt man z.B. das Wort „diede“ ein, verrät er einem, dass es sich dabei um die 3.P.Sg. Vergangenheit (passato remoto) von „dare“ handelt. Für die Slang-Version greife ich oft auf das fantastische Synonymlexikon Woxikon zurück.
In meinem Regal – aber noch nicht gelesen – sind noch Raffas „Complete Danteworlds Reader's Guide“ (2009, 371 S.), Ruuds „Critical Companion to Dante“ (2008, 566 S.) sowie Kirkpatricks „Student Guide“ für die Göttliche Komödie (2004, 118 S.).


Dantelab

Rezitationen: Schöne Audio-Aufnahmen der ersten Cantos gibt es auf dieser YouTube-Playlist. Mein Lieblingsrezitator ist Arnoldo Foà mit seinem kräftigen Bass. Auch gut sind die Aufnahmen von Carlo D'Angelo, Achille Millo, Georgio Albertazzi, Romolo Valli und Antonio Crast. Dem Schauspieler Vittorio Gassman kann man beim Rezitieren zusehen, er spricht angenehm langsam und gibt jeweils fünfminütige einleitende Kommentare, hier sind die ersten zehn Cantos. Ein weiteres Highlight war die Schauspielerin Lucilla Giagnoni, die während der Corona-Zeit von März bis in den Herbst sämtliche 100 Cantos live präsentiert hatte. Leider waren die Videos im November schon wieder gelöscht: Mach ein Mandala, zerstör ein Mandala ... – Das sind nur Beispiele, man findet auch Roberto Benigni und viele mehr.

Websites und Online-Exegese: Es gibt weitere umfangreiche, fundierte und fantasievolle Websites zu Dantes Komödie, von denen World of Dante, Digital Dante, Dante Online und das Princeton Dante Project [Link tot, 2023] die eindrucksvollsten sind, die ich gesehen habe, auch dantepoliglotta.it [Link tot, 2023]. World of Dante hat z.B. die berühmten Illustrationen von Gustave Doré. Links und Aktuelles findet man auf den Seiten der Deutschen Dante-Gesellschaft.
Wenn man sich in die Cantos hineingefuchst hat, sinkt die Hemmschwelle, sich Erläuterungen auf Italienisch anzuhören, besonders dann, wenn man sowieso schon routinemäßig italienische Einträge im Dantelab und im Dante-Lexikon (s.o.) liest. Der Kanal La Divina Commedia in HD etwa bietet dreiminütige Zusammenfassungen aller Cantos mit Animationen, die im Gedächtnis bleiben. Allerliebst sind die Videos der Amici di Dante im Casentino, präsentiert von Riccardo Starnotti, der im Dantekostüm und mit mehr z-Lauten als in anderen italienischen Akzenten unter anderem halbstündige Exegesen (= Erklärungen, spiegazioni) zu allen Cantos ins Netz gestellt hat. Es lohnt sich darüber hinaus, auf dem Kanal der Amici zu stöbern. Zu erwähnen sind ferner die relativ neue 34-teilige Erklärserie „Nel mezzo del cammin“ von TV2000it, die umfangreiche Audio-Serie Commento Divina Commedia von bzw. mit Vittorio Sermonti, der Kanal von Andrea Corby mit der umfassenden Serie Divina commedia facile facile (ca. 15 min pro Canto). Interessant ist auch der 50-min-Dokumentarfilm "Inferno" von Pip Gilmour (2001), von dem ich hier eine italienisch synchronisierte Fassung des amerikanischen Originals (ich weiß, ist schräg) gefunden habe. Auch das Projekt von Andrés Ehmann sei genannt: www.divina-commedia.de.

Maria Soresina: Anfang 2021 entdeckte ich die erstaunlichen Videos von Maria Soresina. Auf ihrem YouTube-Kanal I libri di Maria Soresina spricht sie auf Italienisch, zum Teil mit englischen Untertiteln. Ihr Hauptthema sind die Katharer in Okzitanien und ihr Einfluss auf Dantes Denken und Dantes Auffassung vom Christentum. Die Videos sind auf der Basis ihrer Bücher entstanden, die neue Aspekte hervorbringen, die man in den traditionellen Kommentaren nicht findet. Am 06.01.2021 hat sie einen Gesamtkommentar der Komödie begonnen mit einem Video, in dem sie die ersten 30 Verse des ersten Cantos bespricht. Jeden Mittwoch soll eine neue Folge im Netz stehen, ihr Geschenk im großen Dante-Jahr 2021. – Bibliografie: Dirò de l'altre cose ch'i' v'ho scorte nella Commedia di Dante Alighieri (2020); Come per i pesci il mare. Lettera sul Novecento: orrori, speranze, utopie, disincanti (2019); Mozart come Dante. Il Flauto magico: un cammino spirituale (2011); Libertà va cercando. Il catarismo nella Commedia di Dante (2009); Le segrete cose. Dante tra induismo ed eresie medievali (2002).

Mein Hintergrund: Ich kenne die Komödie seit meiner Jugend und hatte Teile daraus in Übersetzung gelesen. Mitte Mai 2020 hat mich das Dante-Fieber gepackt, als ich merkte, dass ich die Komödie mit meinen jetzigen Italienischkenntnissen sowie den vielen Online-Materialien verstehen kann. Die Schönheit dieser alten italienischen Sprache, die die Antike, das Mittelalter und die Neuzeit miteinander verbindet, hat mich im Sturm erobert, das kann man nicht anders sagen. Dantes Komödie ist die komplexeste, fantasievollste und schönste Widerlegung des Christentums, der ich je begegnet bin. Zwischen Mitte Mai 2020 und Ende Januar 2021 habe ich im Durchschnitt mehr als sechs Stunden am Tag mit der Komödie verbracht. Das ist präzedenzlos.
Dantes Komödie von 1320 ist nicht das älteste Buch, das ich im Original verstehe, sondern der Koran (632 n. Chr.); das verringert allerdings nicht meine Faszination und Begeisterung für Dante. Die Übersetzung und vor allem das Hören der Audios macht mir große Freude und ich kann das Buch zu meinen eigenen Werken in Beziehung setzen, vor allem Die Dichter, die Catfish Cantos, die in 30 Songs erzählte Geschichte The Flood und Loving Jay. Auch zu T. S. Eliot's „The Waste Land“ kann ich Verbindungen ziehen, das ich früher intensiv studiert habe. Meine besondere Perspektive ist die eines Dichters, der sich in Dante wiedererkennt.

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Ausschnitt aus meiner privaten Version (Word)



Inferno – Canto I
Standard-Übersetzung:

In der Mitte unseres Lebensweges fand ich mich in einem dunklen Wald wieder, weil der rechte Weg verloren war. Ach, eine so schwere Sache ist es, zu sagen, wie er war, dieser wilde, raue, dichte Wald, dass sich beim Gedanken daran die Angst erneuert. So bitter ist er, dass kaum mehr der Tod ist. Aber um das Gute zu besprechen, das ich dort fand, werde ich von den anderen Dingen sprechen, die ich da gesehen habe.
Ich kann nicht mehr gut sagen, wie ich dort hereingekommen bin, so voll von Schlaf war ich in diesem Moment, dass ich den wahrhaftigen Weg verließ. Aber nachdem ich am Fuß eines Hügels angekommen war, da, wo dieses Tal endete, das mir vor Angst das Herz durchbohrt hatte, schaute ich in die Höhe und sah seine Schultern bekleidet schon mit den Strahlen des Planeten (Sonne), der jeden auf jedem Weg rechtleitet. Da wurde die Angst ein wenig stiller, die im See des Herzens mir angedauert hatte diese Nacht, die ich in solcher Erbärmlichkeit verbrachte.
Und wie der, der außer Atem vom Meer ans Ufer herausgetreten sich nach dem gefährlichen Wasser umdreht und es anstarrt, so wandte sich mein Geist, der noch floh, zurück, um erneut den Gang zu sehen, der noch nie jemanden am Leben ließ.
Nachdem ich den erschöpften Körper ein wenig ausgeruht hatte, nahm ich den Weg durch die verlassene, ansteigende Ebene wieder auf, wobei der Standfuß stets der tiefere war. Und siehe da: fast am Beginn der Steigung – eine Pantherkatze, leichtfüßig und sehr flink, die mit einem gepunkteten Fell bedeckt war. Sie ging mir nicht vom Gesicht weg, ja versperrte sogar meinen Weg derart, dass ich mich mehrfach zur Umkehr gewandt hatte.
Die Tageszeit war der Beginn des Morgens und die Sonne stieg auf mit diesen Sternen, die schon bei ihr gewesen waren, als die göttliche Liebe diese schönen Dinge erschaffen hatte. So hatte ich Grund für gute Hoffnung hinsichtlich des Biests mit dem gescheckten Fell: die Tageszeit und die süße Jahreszeit.
Aber nicht so, dass mir der Anblick eines Löwen keine Angst gemacht hätte, der mir erschien. Dieser war gegen mich angetreten mit erhobenem Kopf und mit rasendem Hunger, sodass es schien, als würde die Luft davon erzittern.
Und eine Wölfin, die von aller Gier befrachtet schien in ihrer Magerkeit und die schon vielen ein elendes Leben bereitet hat. Die brachte so viel Schwere über mich mit der Angst, die von ihrem Anblick ausging, dass ich die Hoffnung auf den Aufstieg verlor.
Und so wie den, der gern gewinnt und der – kommt die Zeit, die ihn verlieren lässt – in all seinem Bewusstsein nur weint und traurig ist, so machte mich dieses friedlose Biest, das, mir entgegenkommend, mich langsam dahin zurückdrängte, wo die Sonne schweigt.
Als ich in den tiefen Ort hinabtaumelte, wurde vor meinen Augen jemand dargeboten, der wegen langen Schweigens schwach zu sehen war. Als ich ihn in der großen Einöde sah, rief ich ihm zu: „Hab Erbarmen mit mir, wer du auch seist, ob Schatten oder echter Mensch!“
Er antwortete mir: „Kein Mensch, aber früher Mensch gewesen, und meine Eltern waren Lombarden; aus Mantua stammen beide. Geboren bin ich unter Julius, wenn auch spät, und lebte in Rom unter dem guten Augustus in der Zeit der falschen Lügengötter. Dichter war ich und habe Anchises' gerechten Sohn (Aeneas) besungen, der aus Troja kam, nachdem das hochmütige Ilion (= Troja) verbrannt worden war. – Doch du, warum kehrst du zurück zu solchem Verdruss? Warum steigst du nicht auf den Freudenberg, der Ursprung und Ursache allen Glücks ist?“
„Ja, bist du Virgil und diese Quelle, die einen so weiten Redestrom vergießt?“, antwortete ich ihm mit beschämter Stirn. „Du Ehre und Licht der anderen Poeten, so sollen mir das lange Studium und die große Liebe nützen, die mich dein Buch (Aeneis) haben erforschen lassen! Du bist mein Meister und meine Autorität. Du allein bist der, von dem ich den schönen Stil nahm, der mir Ehre gemacht hat. Sieh die Bestie, wegen der ich umgekehrt bin. Rette mich vor ihr, glorreicher Weiser, denn sie lässt mir Adern und Puls zittern!“
„Du musst eine andere Reiseroute nehmen“, antwortete er, nachdem er mich weinen sah, „wenn du diesem wilden Ort entgehen willst, denn diese Bestie, wegen der du schreist, lässt niemanden an sich vorbei. Vielmehr bedrängt sie die Leute so sehr, dass sie sie umbringt. Und sie hat eine so böse und üble Natur, dass die gierige Lust nie befriedigt ist, und nach dem Essen hat sie mehr Hunger als vorher.
Es sind viele Tiere, mit denen sie sich paart, und es werden noch mehr sein, bis der Jagdhund kommt, der ihr einen schmerzhaften Tod bereiten wird. Er wird sich weder von Land noch von Edelmetall ernähren, sondern von Weisheit, Liebe und Tugend, und seine Geburt wird sein zwischen Filz und Filz. Dieses gedemütigte Italien wird er retten, für das die Jungfrau Camilla, Euryalus und Turnus und Nisus an Wunden gestorben sind. Dieser wird sie durch jede Stadt jagen, bis er sie in die Hölle zurückgestoßen haben wird, da, wo der Neid sie zuerst losgelassen hatte.
Daher denke und erkenne ich zu deinem Besten, dass du mir folgst und ich dein Führer sein und dich leiten werde von hier durch einen ewigen Ort, wo du das verzweifelte Kreischen hören und die alten schmerzerfüllten Geister sehen wirst, die alle im zweiten Tod schreien. Und du wirst die sehen, die im Feuer vergnügt sind, weil sie hoffen, irgendwann zu den Seligen zu gelangen. Wenn du zu denen hochgehen willst, wird dafür eine Seele da sein, würdiger als ich. Ihr überlasse ich dich bei meinem Abschied. Denn der Herrscher, der da oben regiert – weil ich mich seinem Gesetz widersetzt habe -, will nicht, dass man durch mich in seine Stadt kommt. Er herrscht überall und dort regiert er. Dort sind seine Stadt und der hohe Stuhl. Wie glücklich ist der, den er dorthin erwählt!“
Und ich zu ihm: „Dichter, ich bitte dich bei jenem Gott, den du nicht kanntest, damit ich diesem Übel und schlimmerem entfliehe, dass du mich dahin leitest, wo du soeben sagtest, damit ich Petrus' Pforte sehe und die, die du als so trostlos beschreibst.“ Dann ging er los und ich hielt mich hinter ihm.
(Anis Hamadeh, 25.05.2020)

Voll krasse Übersetzung (Slang):

Mitten im Leben verlauf' ich mich in so 'nem dunklen Wald. Kein leichtes Ding, den zu spezifizieren: wild, rau, dicht halt. Ich krieg immer noch die Flatter, wenn ich nur dran denke. Voll tödlich, das Teil! Aber okay, ich hab' jedenfalls irre Sachen erlebt und das will ich hier mal 'n bisschen bequatschen.
Keine Ahnung, wie ich da überhaupt reingeschlittert bin. Ich war so verpennt in dem Moment, dass ich irgendwie abgedriftet sein muss. Als ich jedenfalls unten an so'm Hügel ankomm', am Ende von dem Tal, das mir solchen Schiss gemacht hat, kuck ich hoch und seh' voll die Sonnenstrahlen um ihn rum. Die gute alte Sonne zeigt dir immer, wo's langgeht, und ich hatte gleich weniger Bammel. Die ganze Nacht war nämlich echt scheiße gewesen.
Wie'n Typ, der sich gerade so aus dem Meer retten kann, sich noch mal kurz zur Gefahr umdreht und sie anglotzt, so in der Art hab' ich mich beim Abhauen umgedreht, um mir diesen Gang noch mal zu geben, der keinen am Leben lässt.
Nach kurzem Relaxen stratz' ich also weiter durch die leicht ansteigende Einöde und bereite mich innerlich auf die Kraxelei vor. Auf einmal – es ging grade etwas steiler hoch – kommt da so'n Leopard mit Punkten auf'm Fell an, voll schnell und alles. Er bleibt direkt vor meiner Omme stehen und versperrt mir dermaßen den Weg, dass ich mich mehrfach vom Acker machen wollte.
Es war grade erst Morgen geworden und irgendwie geil, wie die Sonne mit den ganzen Sternen aufgegangen ist, so schöpfungsaktmäßig. Das hat meine Laune deutlich gehoben, die Tageszeit und auch die geniale Jahreszeit, und das Mistvieh mit dem gescheckten Pelz ist mir gleich nicht mehr ganz so auf die Nüsse gegangen.
Aber dann kommt ein Löwe an und ich krieg' doch wieder Schiss. Er hatte wohl was gegen mich. Er hat den Kopf so oben gehabt und ist durchgetickt vor Hunger. Es war irgendwie, als würde alles um mich 'rum vibrieren.
Und dann auch noch 'ne Wölfin, voll gierig und abgemagert, die schon 'nem Haufen Leute Ärger gemacht hat. Ich war so am Ende vor Muffe, als ich die gesehen hab', dass ich gedacht hab': Das Gipfelstürmen kannst du dir von der Backe putzen.
Wie'n Gewinnertyp, der auf einmal voll ab-loost und nur noch rumheult, so was in der Art hat dieses Aggro-Biest aus mir gemacht. Es schleicht sich an und drängt mich dahin ab, wo's dunkel ist. So viel zum Thema Sonne!
Als ich mich da unten langgemacht hab', kam so'n Typ an, den ich erst mal kaum erkennen konnte. Als ich ihn in der großen Einöde gesehen hab', meinte ich so: „Ey, tu mir bloß nichts, egal ob du'n Schatten bist oder'n echter Kerl!“
Er dann so: „Kein echter Kerl, aber früher mal einer gewesen. Meine Ellies sind aus der Lombardei, aus Mantua. Bei meiner Geburt war Caesar noch am Ruder und ich bin ab nach Rom, als Augustus das Sagen hatte, den ich krass gut fand, obwohl's 'ne ziemlich abgefuckte Zeit war. Ich war Dichter und hab' mich so'n bisschen um die PR für Aeneas gekümmert, der einen galaktischen Job in Troja gemacht hat und zurückgekommen ist, als es abgefackelt war. – Und was is' bei dir so los? Wieso gibst du dich mit solchen Nervereien ab, statt auf den chilligen Berg hier zu steigen, der ist doch der Oberhammer!“
„Scheiße nee, bist du etwa Virgil, der so gut labern kann?“ Mir war die ganze Situation etwas peinlich. „Ey, du bist der Star der Stars. Dann ha'm sich meine Rackerei und die ganze Hingabe ja gelohnt. Ich hab' mir nämlich deinen Aeneas-Schinken intensivst reingepfiffen und bin voll dein Fan! Auf meinen Style, den ich nur von dir hab', fahren die Leute komplett ab. Aber mal was anderes: Siehst du da vorne das blöde Vieh, wegen dem ich die Biege mache? Kannst du da nicht was drehen, großer Meister, das macht mich echt fertig!“
„Ja nee, du musst woanders langgehen“, meinte er, als er gesehen hat, wie ich rumflenn', „wenn du von diesem bescheuerten Ort wegwillst. Die Kackbratze, über die du dich so aufregst, lässt keinen durch. Genau genommen macht sie alle kalt, die's ausprobieren. Die ist so mies und übel drauf, dass sie den Hals nie voll kriegt und nach dem Essen mehr Kohldampf schiebt als vorher.
Sie fickt mit allen möglichen Tieren rum und das wird auch noch 'ne Weile so weitergehn, bis der Jagdhund an den Start kommt, der sie abmurksen wird, und das wird richtig wehtun. Der wird den Leuten nicht alles wegfressen, er ist mehr auf so 'ner Weisheit-Liebe-Tugend-Diät. Der weiß, was geht! Er wird geboren zwischen Filz und Filz. Außerdem wird er das angeknackste Italien aus dem Dreck ziehen, für das die Jungfrau Camilla, Eurialus, Turnus und Nisus den Löffel abgegeben haben. Er wird das Biest so lange rumscheuchen, bis er es zur Hölle gejagt hat, wo es sowieso herkommt.
Also pass mal auf: Am besten, du schleichst jetzt unauffällig hinter mir her und ich zeig' dir, wo Barthel den Most holt. Zieh dir diesen unkaputtbaren Ort ruhig mal rein, das ist echt 'ne krasse Nummer. Ein Mega-Gejammere und jede Menge Aua. Da sind zum Beispiel Geister, die wegen ihrem zweiten Abkratzen rumheulen. Andere chillen im Feuer, weil sie hoffen, später noch das große Los zu ziehen und nach oben durchzurutschen. Wenn du nach da oben willst, gebe ich dich bei 'ner Dame ab, die besser für den Job geeignet ist, und verdrück' mich. Der Chef von dem Ganzen hat nämlich keinen Bock darauf, dass ich Leute in seine City mitbringe, ich hatte mich da mal etwas danebenbenommen. Ist ja auch sein Hauptquartier, mit Thron und allem. Muss schon cool sein, wenn man dafür ein Ticket hat.“
Und ich: „Dichter, dann bitte bitte, bei Gott – der, äh, zu deiner Zeit noch nicht aktuell war -, ich will bloß raus hier! Bring mich dahin, wo du eben gesagt hast! Ich hab' voll Bock, den guten alten Petrus zu besuchen und diese Knilche, von denen du sagst, dass sie so fertig sind.“
Er also los und ich hinterher.

(Anis Hamadeh, 08.06.2020)


Inferno – Canto II
Standard-Übersetzung:

Der Tag ging dahin und die dunkle Luft nahm den Lebewesen, die auf Erden sind, ihre Müdigkeit. Und ich als einziger bereitetete mich darauf vor, den Krieg zu bestehen, sowohl den der Reise als auch den des Mitleids, den die Erinnerung wiedergeben wird, die sich nicht irrt. Oh Musen, oh hoher Genius, helft mir jetzt! Oh Erinnerung, die du aufgeschrieben hast, was ich sah, hier wird sich dein Adel zeigen!
Ich begann: „Dichter, der du mich führst, prüfe, ob meine Fähigkeiten ausreichen, bevor du mir den wichtigen Gang anvertraust! Du sagst, dass Silvius' Vater (Aeneas) zu Lebzeiten noch in die unsterbliche Welt ging, und das mit allen Sinnen intakt. Nun, wenn der Gegner allen Übels ihm gegenüber so aufmerksam war – an die große Wirkung denkend, die von ihm (Aeneas) ausgehen sollte, an das Wer und das Wie -, so erscheint es einem Menschen von Verstand nicht unwürdig, dass er für das heilige Rom und sein Imperium vom paradiesischen Himmel zum Vater auserkoren wurde. Dieses und jenes, um die Wahrheit zu sagen, wurden als die heilige Stelle gegründet, wo der Nachfolger des großen Petrus seinen Sitz hat. Durch diese Reise, für die du ihm (Aeneas) Ruhm gegeben hast, begriff er Dinge, die die Ursache seines Siegs und des päpstlichen Mantels waren.
Danach ging das auserwählte Gefäß (Paulus) dorthin, um (als Augenzeuge) Trost zu spenden diesem Glauben, der den Anfang bildet auf dem Weg zur Erlösung.
Aber ich, warum sollte ich dort hinkommen? Und wer gestattet das? Ich bin kein Aeneas, ich bin kein Paulus. Weder ich noch jemand anderer glaubt, dass ich dessen würdig bin. Und wenn ich mir erlaube zu kommen, befürchte ich, dass mein Kommen tollkühn ist. Du bist klug und verstehst mehr als ich sage.“
Und wie dem, der nicht mehr will, was er wollte, und der seine Vorsätze mit neuen Gedanken ändert, sodass er sich ganz vom Anfänglichen zurückzieht, so ging es mir an dieser dunklen Küste, denn durch das Grübeln hatte ich das Unternehmen aufgebraucht, das anfangs so präsent gewesen war.
„Wenn ich dein Wort recht verstanden habe“, antwortete der Geist des Großherzigen, „ist dein Geist von Feigheit beeinträchtigt, die den Menschen oft behindert, sodass sie ihn von ehrenhaften Unternehmungen abhält, so wie ein Tier vor einem Trugbild scheut. Damit du dich von dieser Furcht befreist, sage ich dir, warum ich hergekommen bin und was ich im ersten Moment erfahren habe, in dem ich wegen dir bekümmert war.
Ich war unter denen, die im Schwebezustand hängen, und eine Frau so selig und schön rief mich, dass ich sie bat, über mich zu gebieten. Ihre Augen leuchteten mehr als die Sterne und sie fing an, zu mir zu sprechen, sanft und klar, mit engelhafter Stimme, in ihrer Art, zu sprechen: ‚Du nobler Geist aus Mantua, dessen Ruhm in der Welt andauert und so lange andauern wird wie die Welt; mein Freund, nicht der des Schicksals, ist auf der verlassenen Ebene so in seinem Weg behindert, dass er aus Angst kehrtgemacht hat. Ich fürchte, er ist bereits so verloren, dass ich mich zu spät zur Rettung aufgerafft habe – nach dem, was ich über ihn im Himmel gehört habe.
Geh jetzt und hilf ihm mit deiner geschmückten Rede und dem, was zu seiner Rettung nötig ist, sodass ich darüber beruhigt sein kann! Ich bin Beatrice, die dich schickt. Ich komme von dem Ort, zu dem zurückzukehren ich wünsche. Die Liebe hat mich bewegt, die mich zum Sprechen bringt. Wenn ich vor meinem Herrn sein werde, werde ich dich oft vor ihm loben.' Daraufhin schwieg sie und dann hob ich an:
Oh Frau der Tugend, durch die allein die menschliche Spezies jeden Inhalt des Himmels überschreitet, der die kleinsten Sphären hat: So sehr freut mich dein Befehl, dass ihm zu gehorchen, wenn es schon geschehen wäre, mir bereits zu spät wäre. Weiter musst du mir deinen Wunsch nicht eröffnen. Doch sag mir den Grund, aus dem du dich nicht hütest, nach hier unten herabzusteigen, in dieses Zentrum, von dem weiträumigen Ort, zu dem zurückzukehren du brennend willst!
‚Da du es so innig wissen willst, sage ich dir in Kurzform', antwortete sie mir, ‚warum ich mich nicht davor fürchte, hier hereinzukommen. Fürchten muss man sich nur vor den Dingen, die jemandem schaden können. Vor den anderen nicht, denn sie sind nicht zum Fürchten.
Ich bin von Gott, von seiner Gnade, so gemacht, dass euer Elend mich nicht berührt und auch die Flamme dieses Brands mich nicht überkommt. Im Himmel gibt es eine freundliche Frau (Maria), die die Widrigkeit bedauert, zu der ich dich sende, womit sie das strenge Urteil dort oben untergräbt.
Diese rief Lucia in ihrem Ersuchen und sagte: ‚Jetzt braucht dich dein Getreuer und ich vertraue ihn dir an.' Lucia, Feindin aller Grausamkeit, machte sich auf und kam an den Ort, an dem ich war; ich saß da mit der alttestamentarischen Rahel. Sie sagte: ‚Beatrice, Gottes wahres Lob, warum hilfst du nicht dem, der dich so geliebt hat, dass er für dich aus dem gemeinen Volk herausgetreten ist? Hörst du denn nicht die Hingabe seines Klagens? Siehst du nicht, wie der Tod ihn bekämpft auf dem reißenden Fluss, vor dem das Meer keinen Vorzug hat?'
Noch nie auf der Welt waren Leute so schnell darin, ihren Nutzen zu ziehen oder ihrem Schaden zu entgehen, wie ich, nachdem diese Worte gemacht waren. Hier herunter kam ich von meinem heiligen Stuhl, mich deiner ehrenvollen Rede anvertrauend, die dich ehrt und die, die sie gehört haben.'
Als sie mir dies gesagt hatte, wandte sie weinend die leuchtenden Augen, was mich noch schneller herkommen ließ. Und ich kam zu dir, wie sie es wollte, und habe dich von dieser Bestie weggeholt, die dir den kurzen Weg auf den schönen Berg genommen hat.
Was ist also los? Warum, warum bleibst du noch hier? Warum ist dir solche Feigheit im Herzen willkommen? Warum hast du keinen Wagemut und keinen freien Willen, nachdem sich drei so gesegnete Frauen um dich kümmern am Hofe des Himmels und meine Rede dir so viel Gutes verspricht?“
Wie Blümchen, von nächtlicher Kälte gebeugt und geschlossen, nachdem die Sonne sie bescheint, sich voll geöffnet auf ihrem Stängel aufrichten, so ging es mir mit meiner erschöpften Kraft; und so viel Wagemut lief mir ins Herz, dass ich wie eine freie Person entschlossen begann: „Wie barmherzig ist doch die, die mir beisteht! Und du so höflich, der du den wahrhaftigen Worten sofort gehorcht hast, die sie dir ausgerichtet hat! Du hast mein Herz mit deinen Worten so mit dem Verlangen ausgestattet, mitzukommen, dass ich zum ersten Vorsatz zurückgekehrt bin.
Nun geh, denn ein einziges Wollen ist uns beiden! Du Führer, du Herr und du Meister!“ So sprach ich zu ihm und als er dann aufbrach, trat ich ein in den steilen und wilden Weg.

(Anis Hamadeh, 26.05.2020)

Voll krasse Übersetzung (Slang):

Es war Feierabend für heute und alles haute sich in die Koje in dieser komischen braunen Luft. Meine Wenigkeit war der einzige, der noch am Machen war, denn ich musste den Trip vorbereiten und mir einen Kopf darüber machen, wie ich mich vernünftig an alles erinner', damit ich keinen Stuss schreibe. Also toi toi toi! Mal sehen, wie gut ich drauf bin.
Ich legte los: „Vielleicht wär's besser, wenn du mich erst mal abcheckst, bevor wir durchstarten, nachher bin ich noch zu blöd für den Job. Du meintest ja in deinem Buch, dass der olle Aeneas damals ins Jenseits getapert ist, so richtig mit Körper und allem. Und okay, das hat's ja auch voll gebracht, deshalb kann man sich gut vorstellen, dass der große Boss das so eingefädelt hat. Immerhin ist Rom dabei rausgekommen mit dem ganzen heiligen Kram und der krass gut laufenden Armee. Ich meine, beides ist ja mega abgegangen: die Petrus- und Papstnummer genauso wie dieses ganze Imperiumsgedöns. Das hat Aeneas geschnallt, den du über den grünen Klee gelobt hast.
Ach so, und Paulus hat sich im Jenseits auch mal blicken lassen, damit er den Leuten zu Hause die Info geben konnte, dass die ganze Sache koscher war.
Aber ich kleines Würstchen? Wen interessier' ich schon; glaubst du, da gibt jemand grünes Licht für? Aeneas und Paulus sind ja wohl 'ne Nummer zu hoch für mich. Ich geh' nicht davon aus, dass ich das auf die Reihe kriege, und wüsste auch keinen, der das anders sieht. Außerdem, wenn ich mich aufraffe mitzukommen, heb' ich mir vielleicht 'n Bruch. Jetzt sag du auch mal was dazu, du rallst es sowieso besser als ich.“
Wie so'n Typ, der auf einmal kein' Bock mehr hat und seine Pläne über'n Haufen wirft, bis er nicht mehr weiß, wie er überhaupt auf so 'ne hirnrissige Idee kommen konnte, so in der Art war ich drauf an dieser dunklen Küste, weil ich too much über die ganze Sache nachgegrübelt hab', die erst 'nen fett guten Eindruck gemacht hatte.
„Ich seh' schon, was hier abgeht“, meinte der Geist von dem Typ, der es gut mit mir meinte, „du hast Schiss, das ist alles. Das gibt's öfter und dann kriegt man nichts mehr auf die Kette, so Fata-Morgana-mäßig. Also komm drüber weg! Ich erzähl' dir jetzt mal, was alles los war, als ich zum ersten Mal von dir gehört hab'.
Und zwar hing ich grad' mit so'n paar Typen ab, da labert mich 'n Mädel an. 'Ne ganz schöne Granate, sag' ich dir, ich war sofort hin und weg. Wahnsinns-Augen, und dann sagt die mir mit dieser Hammer-Stimme: ‚Hi, man hört ja dolle Sachen über dich, Respekt! Die Sache ist folgende: Ein guter Kumpel von mir hat grad' 'n bisschen Pech und klemmt in der Einöde fest, weil jemand ihm auf die Eier geht. Jetzt will er umkehren und alles, das nervt voll, und ich hab' nach den letzten News aus dem Himmel die Befürchtung, dass der Zug schon abgefahren ist.
Könntest du dir das nicht mal ansehen und ihm unter die Arme greifen mit deinen rhetorischen Skills und allem, was man so braucht? Da würd' mir echt 'ne Geröllhalde vom Herzen fallen. Ach so, ich heiß' übrigens Beatrice und bin nur auf 'n Sprung hier, weil ich wieder nach Hause will. Was ich dir grade gesagt hab', ist wirklich zentral wichtig für mich. Ich werd' auch dem großen Boss nur Gutes von dir erzählen.'
Das war's von ihrer Seite und ich so: ‚Ja hallo, du bist ja echt umwerfend. Klar, was immer du willst! Wenn ich den Job schon erledigt hätte, wär's mir immer noch zu spät, so flipp' ich aus. Message angekommen. Aber sag mal, wieso schlurfst du hier eigentlich einfach so runter, wenn du eigentlich eher scharf darauf bist, in deiner gemütlichen Hütte abzuhängen? Hast du keine Muffe und so?'
Und sie meinte: ‚Wenn es dich so brennend interessiert, erklär' ich dir in Kurzform, wieso ich kein Problem damit hab', hier aufzukreuzen: Es schadet ja niemandem, wenn ich hier bin, also was soll's? Außerdem bin ich so drauf, dass eure Nervereien hier unten mich nicht weiter tangieren. Im Grunde hab' ich hier nichts zu suchen, aber da ist so eine Mutti im Himmel, Maria, die so'n bisschen ihr eigenes Ding macht und der die Sache, zu der ich dich losschick', ganz schön an die Nieren geht.
Die ist erst mal zu Lucia hin und meinte zu ihr, dass sie sich doch mal um den Kumpel kümmern soll, weil der echt Hilfe braucht. Lucia war voll dabei und stand dann gleich bei mir auf der Matte. Ich sitz' da so rum mit der ollen Rahel und Lucia macht mir Komplimente und erzählt die komplette Story. Die hat mir ganz schön ins Gewissen gepustet, damit ich was mache, von wegen: Ja, der hat dich doch so geliebt und so viel für dich sausen lassen und jetzt jault er 'rum und ist buchstäblich am Ende. Mach dir das mal klar!
Jau, das hatte gesessen. Ich bin sofort in Aktion getreten, hab' den Hintern von der Couch gehoben und steh' jetzt hier unten, weil ich davon ausgehe, dass du die Sache in den Griff kriegst mit all deinen Fähigkeiten und so weiter.' Und dann kuckt sie mich auch noch mit diesem Hundeblick an. Ich bin sofort los zu dir, wie sie's wollte, und hab' dich von diesem Monster weggezerrt, das dich nicht auf den Berg lassen wollte.
Also w-a-s-g-e-h-t-a-b, Mann? Wieso gammelst du hier immer noch 'rum? Hast du keinen Mumm in den Knochen oder was? Ey, drei Hammer-Bräute im Himmel betüteln dich und ich geb' dir dazu noch super Input!“
Scheiße, er hatte Recht, und ich hab' mich auf einmal wie eine Blume im Sonnenschein gefühlt, nach einer arschkalten Nacht, so voll aufgerichtet und offen. Yeah, jetzt ging's mir wieder top und ich bin zu großer Form aufgelaufen: „Wie geil ist das denn! Das ist ja voll nett von der, mir zu helfen. Und super, dass du sofort mitgemacht hast! Alter, jetzt hast du mich so heiß gemacht, dass ich's mir definitiv überlegt hab'.
Also schwing die Hufe, ich bin dabei! Du hast es so 'was von drauf!“ So viel dazu. Er ist dann los und der Road-Movie fing an.

(Anis Hamadeh, 08.06.2020)


Inferno – Canto III
Standard-Übersetzung:

„Durch mich geht es in die schmerzhafte Stadt, durch mich geht es in den ewigen Schmerz, durch mich geht es zu den Verlorenen. Gerechtigkeit bewegte meinen hohen Schöpfer. Mich machte die göttliche Macht, die höchste Weisheit und die erste Liebe. Vor mir ist nichts erschaffen worden, das nicht ewig ist, und ich dauere ewig fort. Lasst alle Hoffnung fahren, ihr, die ihr hereinkommt!“
Diese Worte von dunkler Farbe sah ich über einem Tor geschrieben, weshalb ich sagte: „Meister, ihre Bedeutung ist schwer für mich.“
Und er zu mir, als verständiger Mensch: „Hier muss man jedes Zögern lassen. Jede Feigheit muss hier tot sein. Wir sind an den Ort gekommen, von dem ich dir gesagt habe, dass du dort die leidvollen Menschen sehen wirst, die das Verstandesgut verloren haben.“ Dann, als er seine Hand auf meine gelegt hatte, mit einem frohen Blick, der mich bestärkte, brachte er mich hinein zu den verborgenen Dingen.
Hier erklangen Seufzer, Weinen und lautes Klagen durch die sternenlose Luft, weshalb ich am Anfang darüber weinte. Seltsame Sprachen, fürchterliche Redeweisen, Worte des Schmerzes, Schreie des Zorns, laute und schwache Stimmen, dazu die Geräusche von Händen machten ein lärmendes Durcheinander, das ständig umhergeht in dieser zeitlosen, getönten Luft wie Sand, wenn ein Wirbelwind bläst.
Und ich, dessen Kopf vom Schrecken umhüllt war, sagte: „Meister, was ist das, was ich höre? Und was sind das für Leute, die so im Schmerz überwältigt zu sein erscheinen?“
Und er zu mir: „Dieses elende Betragen halten die verächtlichen Geister derer, die ohne Schande und ohne Lobenswertes gelebt haben. Gemischt sind sie in diesen scheußlichen Chor von Engeln, die sich weder aufgelehnt hatten noch treu zu Gott gewesen waren; vielmehr waren sie für sich. Die Himmel haben sie vertrieben, um nicht weniger schön zu sein, und auch die tiefe Hölle nimmt sie nicht auf, damit die Bösen nicht irgendetwas Ruhmvolles von ihr haben.“
Und ich: „Meister, was ist denn so schwer für sie, das sie so laut klagen lässt?" Er antwortete: "Ich sage es dir in aller Kürze: Diese haben keine Hoffnung auf den Tod und ihr lichtloses Leben ist so niedrig, dass sie neidisch sind auf jedes andere Los. Die Erinnerung an sie lässt die Welt nicht zu. Mitleid und Gerechtigkeit verachten sie. Reden wir nicht über sie! Schau nur und geh weiter!“
Und ich, der ich hinsah, sah eine Fahne, die so schnell kreisend herumlief, dass sie mir für jegliche Pause unempfänglich schien. Hinter ihr kam eine so lange Schlange von Menschen, dass ich nicht geglaubt hätte, dass der Tod so viele von ihnen vernichtet hat.
Nachdem ich dort einige wiedererkannt hatte, sah und erkannte ich den Schatten dessen, der aus Feigheit die große Verweigerung vollzog. Sofort begriff ich und war mir sicher, dass dies die Schar der Scheußlichen war, Gott und seinen Feinden verhasst. Diese Niederträchtigen, die nie lebendig waren, waren nackt und schwer angestachelt von Fliegen und Wespen, die es dort gab. Die zogen in ihren Gesichtern Streifen von Blut, das, gemischt mit Tränen, zu ihren Füßen von widerlichen Würmern aufgesammelt wurde.
Und dann, als ich noch einmal hinsah, sah ich Gruppen von Menschen am Ufer eines großen Flusses und sagte daraufhin: „Meister, gewähre mir jetzt zu wissen, wer diese Leute sind und welche Gesetzmäßigkeit sie zur Überfahrt so bereitwillig zu machen scheint, wie ich es im trüben Licht erkenne.“ Und er zu mir: „Diese Dinge werden dir bekannt werden, wenn wir unsere Schritte auf dem trostlosen Fluss Acheron anhalten.“ Also, mit beschämten und gesenkten Augen, fürchtend, dass mein Gesagtes ihm Ungemach bereitet hatte, sah ich vom Reden ab, bis wir am Fluss waren.
Da kam in einem Boot ein Alter auf uns zu, weiß von greisem Haar, laut rufend: „Weh euch, böse Geister! Hofft nicht, jemals den Himmel zu sehen! Ich bin gekommen, um euch ans andere Ufer zu führen, in die ewige Dunkelheit, zu Hitze und Kälte. Und du dort, lebendiger Geist, geh weg von denen hier, die tot sind!“
Als er aber sah, dass ich nicht wegging, sagte er: „Auf einem anderen Weg, von einem anderen Hafen aus sollst du zum Ufer kommen, nicht von hier aus ist die Überfahrt. Ein leichteres Boot soll dich mitnehmen.“ Und der Führer zu ihm: „Charon, reg dich nicht auf! Es ist so gewollt, da, wo alles möglich ist, was gewollt ist. Also frag nicht weiter!“ Ruhig wurden da die wolligen Wangen des Steuermanns vom düsteren Sumpf, der um die Augen Flammenräder hatte.
Aber die Geister, die ausgelaugt und nackt waren, änderten die Farbe und knirschten mit den Zähnen, sobald sie die grausamen Worte gehört hatten. Sie verfluchten Gott und ihre Eltern, die menschliche Spezies, den Ort und die Zeit und den Samen ihrer Empfängnis und ihrer Geburt. Dann zogen sich alle zusammen laut weinend ans böse Ufer zurück, das jeden Menschen erwartet, der Gott nicht fürchtet.
Charon, der Dämon mit Augen von Glut, gibt ihnen Zeichen und sammelt alle ein. Er schlägt mit dem Ruder jeden, der sich hinsetzt. Wie sich im Herbst die Blätter ablegen, eins gleich nach dem anderen, bis der Ast all seine Kleider auf dem Boden sieht, so warf sich Adams böse Brut herunter von dieser Küste, einer nach dem anderen, auf Zeichen hin, wie ein Falke auf seinen Lockruf hin. So ziehen sie hin auf den dunklen Wellen und bevor sie drüben angelegt haben, sammelt sich hüben bereits eine neue Schar.
„Mein Sohn“, sagte der Meister höflich, „diejenigen, die im Zorn Gottes sterben, kommen alle hier zusammen, aus jedem Land. Und bereit sind sie zur Überfahrt des Flusses, denn die göttliche Gerechtigkeit spornt sie so an, dass sich die Furcht in Verlangen verwandelt. Von hier geht niemals ein guter Geist herüber. Wenn sich Charon also über dich beschwert, kannst du jetzt gut verstehen, was seine Rede verlauten lässt.“
Als er das beendet hatte, erbebte die dunkle Landschaft so stark, dass die Erinnerung an den Schrecken mich erneut in Schweiß badet. Die tränenreiche Erde brachte einen Wind hervor, der ein hochrotes Licht aufleuchten ließ, das all meine Sinne überwältigte. Und ich fiel, wie ein Mann, den der Schlaf ergreift.

(Anis Hamadeh, 29.05.2020)

Voll krasse Übersetzung (Slang):

„Hier geht's zur Stadt der Schmerzen, hier geht's überhaupt zum Schmerz ohne Ende. Und zu den Verschüttgegangenen. Der mich gezimmert hat, wollte Gerechtigkeit. Also Gott, der King von allem, die buchstäblich erste Liebe. Was der baut, ist nicht kaputtzukriegen, und ich auch nicht. Wenn ihr also hier reinstiefelt und meint, noch irgendwelche Meldungen zu haben: Vergesst es einfach!“
Das hatte jemand mit dunkler Farbe über so'n Tor gepinnt, und ich zum Meister: „Oh scheiße, das fängt ja gut an!“
Er blieb cool und meinte: „Nee komm, jetzt müssen wir die Nerven bewahren und dürfen uns nicht ins Hemd machen. Wir sind da, wo ich dir erzählt hab', dass du dir hier die ganzen Jammerlappen ankucken kannst, die nicht mehr klar in der Birne sind.“ Mit Händchenhalten und einem Wird-Schon-Blick hat er es dann gemanaged gekriegt, dass ich einigermaßen die Übersicht behalten hab'. Wir also durchs Tor, ins große Unbekannte.
Es war komplett dunkel und ich hab' lauter abtörnenden Scheiß gehört: Seufzer, Rumgejaule, das volle Programm. Da hab' ich erst mal angefangen zu heulen. Es ging alles durcheinander, laut und leise, in allen möglichen komischen Sprachen; dann ham die da rumgeschrien und sich aufgeregt und mit den Händen traktiert – das reinste Chaos. Alles flog durch die Gegend wie Sand in so'm Tornado. Voll surreal, die Atmosphäre.
Die ganze Nummer hat mich fertiggemacht und ich sag' so: „Meister, was ist hier denn los? Was sind das für Nasen, die sich da einen abmaunzen?“
Und er: „Ach so, die. Die ham schlechte Manieren. Es sind die miesen Geister von denen, die keine Scheiße gebaut und gleichzeitig nichts auf die Reihe gekriegt ham, mit Connections zu dieser Gang von Engeln, die zwar keinen Lauten gemacht hat, was den Boss angeht, aber auch nicht in seiner Mannschaft gespielt hat. Die ham einfach ihr eigenes Ding gemacht. Der Himmel hatte da gar keinen Nerv drauf und hat sie weggescheucht – ist ja auch eine Prestige-Frage – und sogar die Hölle will die nicht an der Backe haben, es sei denn, die Höllenleute hätten irgendwas Konkretes davon.“
Und ich: „Meister, und warum nölen die so rum?“ Er dann: „Die Kurzfassung ist, dass sie absolut keine Hoffnung haben, irgendwann mal abzunippeln. Denen geht's so kacke, dass sie auf jeden andern neidisch sind. Keiner erinnert sich an diese Luschen und keiner mag die. Komm, lass stecken, pfeif's dir einfach rein und zuckel weiter!“
Langsam konnt' ich wieder was sehen: Da war so 'ne Fahne, die ist in Kreisbewegungen durch die Landschaft gejagt und hat immer weitergemacht. 'Ne Riesenschlange von Leuten kam da hinterhergeklappert. Alter, ich hätte nicht gedacht, dass der Sensenmann so viele erwischt hat.
Ein paar von denen hab' ich wiedererkannt und, hey, da ist doch dieser Schisshase von Verweigerer! Langsam raff' ich, dass ich hier echten Abschaum vor der Linse hab'. Nackte zombieartige Mistkerle, denen Fliegen und Wespen die Fresse blutig stechen. Das Blut mischt sich mit Tränen und auf dem Boden schlürfen ekelhafte Würmer die ganze Soße auf. Voll krass.
Ich kuck' noch mal scharf hin und da sind auf einmal so Gruppen von Leuten an 'nem Flussufer und ich frag': „Meister, hast du irgend'ne Ahnung, wer das ist und warum die so scharf darauf sind, ans andre Ufer zu kommen, so weit ich das in dieser trüben Suppe überhaupt erkennen kann?“ Er dann: „Ja ja, das kriegst du dann schon mit. Lass uns erst mal auf diesem dämlichen Fluss Acheron sein.“ Das war mir voll peinlich. Ich wollte ihn ja nicht annerven oder so. Ich hab' dann erst mal die Klappe gehalten, bis wir am Fluss waren.
Dann so boing! kommt so'n Tattergreis mit'm Boot auf uns zu und grölt rum: „Ey, ihr Penner! Glaubt bloß nicht, dass ihr's noch mal mollig haben werdet! Jetzt geht's ab ans andere Ufer, da ist es bis Sankt Nimmerlein zappenduster, affenheiß und rattenkalt. Und wen haben wir hier? Einen Lebenden. Los, verpiss dich von den andern, die hinüber sind!“
Und als ich stumpf dageblieben bin, meinte er: „Hast du 'was an den Ohren oder was? Hier ist Endstation für dich, such dir'n andern Hafen für die Überfahrt! Dein Boot muss 'n ganzen Tacken leichter sein.“ Aber dann mein Chef so: „Charon, jetzt krieg dich mal wieder ein! Der Plan kommt von ganz oben, wo alles machbar ist, was die wollen. Also halt einfach die Fresse!“ Und dieser Fährmann-artige Stoffel aus dem Sumpf mit den Leucht-Augen hielt erst mal die Zottelbacken still.
Das Problem war, dass die nackten und total fertigen Geister seine heftigen Sprüche ebenfalls mitgekriegt hatten und jetzt komplett ausgetickt sind. Sie ham die Farbe gewechselt, voll so mit den Zähnen geknirscht und dann ham sie Gott und die Welt verflucht wie nix Gutes, sogar ihre Eltern und alles. Danach sind alle mit großer Heulerei an dieses Drecksufer gelatscht. Das kommt halt dabei raus, wenn man den großen Boss ignoriert!
Charon, der Typ mit dem Hitzeblick, pfeift sie zu sich ran. Wenn einer es sich auf dem Boot gemütlich machen will, gibt er ihm eins mit dem Ruder auf die Rübe. Voll so wie im Herbst, wenn die Blätter eins nach dem andern Striptease-mäßig vom Ast segeln, genau so jumpten diese Knallkekse von der Küste, einer nach dem anderen, wie so'n Falke, wenn man den so 'ranpfeift. Und dann ging's ab nach drüben durch diese Brühe. Es waren aber schon wieder genügend neue Leute da, bevor die vorigen drüben eingetrudelt sind.
Der Meister hatte sich inzwischen wieder abgeregt und meinte: „Jungchen, es ist so: Alle auf der Welt, auf die der große Boss sauer ist, landen hier. Und sie machen ohne Probleme mit, weil ihr Muffensausen sich in heftige Wünsche verwandelt hat. Die ham halt jetzt den Boss im Nacken. Das sind alles Arschlöcher, die hier rüberfahren. Insofern kannst du ungefähr einordnen, was es bedeutet, wenn Charon 'n Hals kriegt, wenn er dich sieht.“ Als er fertig war, bricht voll das Erdbeben los in dieser Mistdunkelheit. Ich fang' immer noch an zu ölen wie Sau, wenn ich nur dran denke. Ein Mega-Wirbelsturm kommt aus dem jaulenden Boden raus und dann flasht da so'n knallrotes Licht auf, dass bei mir alle Lichter ausgehen. Ich bin einfach so weggeknickt.

(Anis Hamadeh, 08.06.2020)

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